Was ist das Buch Henoch?
Das Buch Henoch (auch „1. Henoch“ genannt) ist ein altes religiöses Werk, das dem biblischen Henoch, dem Urgroßvater Noahs, zugeschrieben wird. Es gehört nicht zur Bibel, wie sie in den meisten christlichen Kirchen bekannt ist – weder zur katholischen noch zur evangelischen Ausgabe – wohl aber zur äthiopischen Bibel, in der es einen anerkannten und geschätzten Platz hat.
Das Buch entstand vermutlich zwischen dem 3. Jahrhundert v. Chr. und dem 1. Jahrhundert n. Chr. Es wurde in hebräischen, aramäischen und später griechischen Handschriften überliefert, blieb aber vor allem durch die altäthiopische Übersetzung vollständig erhalten.
Worum geht es im Buch Henoch?
Das Buch Henoch erzählt in bildreicher und eindrucksvoller Sprache von überirdischen Visionen, Engeln, der himmlischen Ordnung und dem kommenden Gericht. Besonders bekannt ist es durch den Abschnitt über die gefallenen Engel, die sogenannten Wächter („Watchers“), die zur Erde herabsteigen, sich mit Menschenfrauen verbinden und dadurch Unheil und Chaos stiften.

Einige zentrale Themen des Buches sind:
- Die Ordnung des Himmels und der Natur: Wie Sonne, Mond, Sterne und Jahreszeiten durch göttliche Weisung gelenkt werden.
- Der Fall der Engel: Eine Gruppe von Engeln widersetzt sich Gottes Ordnung, nimmt sich Frauen und lehrt die Menschheit verbotene Künste (Waffen, Magie, etc.).
- Die Geburt der Riesen (Nephilim): Aus der Verbindung von Engeln und Menschen entstehen riesenhafte Wesen, die die Erde verderben.
- Das kommende Gericht: Gott kündigt an, alle Übeltäter – Menschen wie Engel – zu richten, und verspricht den Gerechten Heil.
- Die Reise Henochs durch Himmel und Erde: Henoch wird von Engeln durch die Schöpfung geführt, sieht Himmelsräume, Straforte und den Thron Gottes.

Warum ist das Buch Henoch nicht Teil der Bibel?
Es gibt mehrere Gründe, warum das Buch Henoch nicht in den biblischen Kanon aufgenommen wurde (außer in Äthiopien):
- Unklare Herkunft: Es war nicht eindeutig bekannt, wer das Buch wirklich verfasst hat. Obwohl Henoch als Autor genannt wird, stammt das Werk offensichtlich aus späterer Zeit.
- Mystischer und spekulativer Inhalt: Viele Inhalte gelten als zu fantastisch oder schwer einzuordnen – etwa die Lehren über die gefallenen Engel, die Himmelsreisen und die detaillierten Höllenschilderungen.
- Fehlende Aufnahme in die jüdische Bibel (Tanach): Die jüdische Tradition, auf der das Alte Testament der christlichen Bibel beruht, hat das Buch Henoch nicht übernommen.
- Kirchliche Entscheidungen: Als die großen christlichen Kirchen ihre Bibel-Kanons festlegten (zwischen dem 4. und 5. Jahrhundert), wurde das Buch Henoch nicht berücksichtigt – mit der Ausnahme der äthiopisch-orthodoxen Kirche, die es bis heute als Heilige Schrift anerkennt.

Warum ist das Buch trotzdem bedeutsam?
Trotz seiner Nichtaufnahme in die Bibel hat das Buch Henoch starken Einfluss auf die frühe jüdische und christliche Gedankenwelt gehabt. Viele Begriffe und Ideen aus dem Buch finden sich indirekt im Neuen Testament wieder – besonders im Judasbrief und in der Offenbarung des Johannes. Auch Vorstellungen von Engeln, Dämonen, dem Gericht und dem kommenden Reich Gottes wurden durch das Henochbuch mitgeprägt.
Heute wird es von Forschern und spirituell Interessierten wiederentdeckt – als ein faszinierendes Zeugnis einer alten, tief symbolischen Weltsicht, die Himmel und Erde miteinander verbindet.

Schreibe einen Kommentar